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Alles

Alles

Mein Sohn fragte mit vor kurzem:
„Mama, weißt du, was mein Lieblingswort ist?“
Ich darauf: „Nein, welches denn?“

„Alles“

Ich erwiderte ihm, dass dies ein schönes Wort sei – Alles. Er entgegnete mir, dass er mit „alles“ meine, dass er jedes Wort mag. Ja, das war mir irgendwie klar, dass er sich gar nicht entscheiden oder festlegen wollte auf ein einziges Wort, das er am allermeisten liebt. Ich frage mich, ob ich ein Lieblingswort habe, oder wie ich mich entscheide, wenn ich es muss. Nicht welches Eis, oder welche Farbe – selbst das fällt mir manchmal schwer. Wie entscheide ich mich, aus der Fülle zu wählen? Etwas zu nehmen und unweigerlich das andere liegen lassen zu müssen? Wie findet man das, was man liebt? 

Die Stimme auf der rechten Schulter fragt, ob es Aussicht auf Erfolg gibt? Die Stimme auf der linken fragt, woran ich Erfolg messe? Die Stimme auf der rechten fragt, ob ich mir das zutraue? Die Stimme auf der linken, warum ich daran zweifle? Die Stimme auf der rechten Schulter fragt, ob ich mir sicher bin, dass ich das will? Die Stimme zur linken, ob ich es denn nicht spüre? Die Stimmen werden mir manchmal zu viel, dann neige ich dazu, keine einzige mehr hören zu wollen, werde ganz stumm und bleibe im Kopf um Listen zu sortieren, was meistens nicht wirklich weiterhilft. 

Wie findet man heraus, was man wirklich leidenschaftlich will? Puh, was für eine Frage? Und wenn es das ist, die Frage, die nie stillzustellen ist? Die begleitet, bis ans Ende der Tage?

Ist es zu viel verlangt, das doch ein wenig früher abhaken zu wollen? Es herauszufinden um dann zufrieden und glücklich zu sein?

Ein Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf: „Ziel ist das Unterwegssein. Gelassen, frei und fröhlich.“ Wenn auch an einen Kalenderspruch erinnernd, so birgt er eine tiefe Sehnsucht, die gleichsam Auftrag ist. Ein Gegenüber verhalf mir diesen aus dem Stimmengewirr herauszulösen. Wie bedeutsam ein Gegenüber ist, dass einem ein klein wenig an der Hand nimmt, abholt an jenen Punkten, wo das Stummwerden und das Erstarren um sich greift, um wieder an die Spur zu erinnern, in der „alles“ enthalten ist. Das Spüren, das Zutrauen, der Mut und die Unsicherheiten. In solchen Momenten fällt es mir meist wie Schuppen von den Augen. Für die uneindeutigen Fragen braucht es eindeutig jemanden, der manchmal einen Blick drauf wirft, ohne die Beantwortung zu übernehmen, dabei aber etwas anrührt. 

Wie wäre es, sich zunächst auf das Unterwegssein zu verständigen – mit der Gewissheit, nicht alles alleine ergrübeln zu müssen. Barfuß und mit leichtem Gepäck. Mit einem Du, mit einer Person in Reichweite, mit jemanden die/der hinter einem, oder vor einem geht, die/der sich immer wieder mal umschaut, ob man noch in Bewegung ist, jemand in Rufweite, die/der sogar das Flüstern hört. 

Wie wäre es, zu beginnen: Einen Fuß vor den anderen zu setzen, probieren, wagen, stolpern, aufstehen, den Rucksack abgeben, um Hilfe bitten, und sich im Lächeln üben. Ja, wie wäre es, damit zu beginnen? Fürs erste ist das doch mehr als genug. 

Sich zu bewegen und in Bewegung versetzen zu lassen. Verkosten, wie dieses „Alles“ für einen schmeckt. Wie es riecht, wo es kitzelt, wo es drückt, wo es wachsen lässt, wo es Worte und Taten beflügelt, wo es Nähe zu sich und seinem Gegenüber stiftet. Es wird sich zeigen, wann auch immer, wo auch immer. Vielleicht im ganz Kleinen. Vielleicht auch mal ganz groß. Angeleitet, unverhofft, tagträumend, hellwach. Das spür ich ganz tief drinnen. So vieles kann sich sehen lassen. Trau deinen Augen, Ohren, deinem Kopf und deinem Herzen. Du wirst Dich entdecken, du Spurenleser_in.


Tanz- und Begegnungsraum für hörende und gehörlose Menschen

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Mein persönliches Wunder

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