Mütterskizzen
Es ist Muttertag. Ich habe mir ehrlich gesagt nie so viel aus diesem Tag gemacht. Selbst als ich noch nicht Mutter war, hab ich mich etwas verlegen bemüht, dass schöne Blumen auf dem Tisch meiner Mutter stehen und hab mich gefreut, dass sie sich freute. Verlegen deshalb, weil ich nur zu oft spürte, dass die restlichen 364 keine Blumen am Tisch stehen. Verlegen deshalb, weil diese Frau nicht nur mich, sondern drei weitere Kinder großgezogen hatte, neben dem Vollzeitjob Landwirtin und so nebenbei als Pflegerin der Angehörigen rund um die Uhr tätig war. Verlegen deshalb, weil diese Frau nicht die geringste Möglichkeit hatte, ihre beruflichen Träume zu artikulieren, geschweige denn zu verwirklichen. Verlegen deshalb, weil sich mir die Nackenhaare aufstellen, wenn ich an ihre Pension denke. Verlegen deswegen, weil ich sie nie klagen hörte, und sie uns trotz allem aufopfernd liebt. Und dann gab es eben diesen einen Tag, der geschlossen als Feiertag anerkannt wurde. Besser als nichts? Wir sorgten für Blumen am Tisch. Gekocht hat die Mama. Vermutlich gab es Gedichte. Als ich dann selber Mama wurde, hatte ich nie darauf gepocht, etwas geschenkt zu bekommen und hab mich doch über ehrliches Bemühen gefreut.
Ich erinnere mich noch an das erste Gedicht, das mir mein Sohn aufsagte. Er war noch keine drei Jahre alt. Mein kleiner Bub steht vor mir und vollendet seine Verse mit: „Aber eines ist sonnenklar: Für mich bist du der größte Star.“Mein Herz ging auf in diesem Moment. Das hatte ich nicht erwartet. Dass mein Herz sich so regt, angesichts dieser Geste. Wie gerne ich mir diesen Satz hervorkrame. Besonders in den vergangenen Wochen, wo sich ein Gefühl breitmacht, dass sich neue Selbstverständlichkeiten und unhinterfragte Routinen einspielen. Dann, wenn ich von Tisch zu Tisch, von Küche über den Spielplatz, zu Bett marschiere und ich mich alles andere als der große, sonnige Star fühle. Ich habe das Gefühl, ich bin eine von ganz Vielen. Wie sie sich heute wohl fühlen?
Ehrlich gesagt, ich freue mich auf diesen Tag. Warum? Weil für einen Moment, die Aufmerksamkeit auf das gelenkt wird, was nicht selbstverständlich ist und Gefahr läuft, wieder selbstverständlich zu werden. Weil bislang Unsichtbares mehr denn je an die Oberfläche drängt und danach schreit, gesehen und gehört zu werden.
Ich freu mich auf Zärtlichkeit und Empörung: Auf aufrichtige Gesten und polternde Worte. Ja, ich will beides und von allem ganz viel. Zeichen und Diskurse.
Das Sorgen und Kümmern und Mutter-Sein liegt mir nicht im Blut, aber es wurde mir persönlich in die Wiege gelegt. Ich darf und muss mich dazu verhalten. Und nicht müde werden den eigenen Diskurs zu suchen. Aushandlungsprozesse nicht scheuen und Sensibilisierungsmaßnahmen setzen. Unabhängig davon, wen ich liebe, wie ich liebe, ob ich gebäre oder nicht. Dafür sorgen, selbst bei Kräften und bei Stimme zu bleiben um auch wieder Schulter zum Anlehnen sein zu können, wenn es Not tut.
Einfordern von Räumen und Zeiten um existentielle Bedürfnisse zu bedenken und zu artikulieren. Muße um immer wieder die Frage zu stellen: Was brauche ich um gut zu leben? Vielleicht sollte man es einfach genießen, einen Tag in die Sonne gestellt zu werden, damit es irgendwann selbstverständlich wird. Im Großen und im Kleinen. Und ich mich plötzlich selbst ins Licht stelle, damit es alle sehen.
Ich erinnere mich noch an eine andere Szene: Als mein damals 3-jähriger Sohn in der Badewanne saß um einen Schiffbruch zu inszenierte und ich einschreiten musste um vor Überflutung unserer und der darunterliegenden Wohnung zu schützen. Ich gab ihm klar zu verstehen: „Ich bin hier der Chef!“ Kind erwiderte: „Nein. Du bist die Chefin.“ Ich lachte. Ich strahlte.
Ich freue mich auf kleine Gesten, die meinen Herzensspeicher füllen, damit ich wieder genügend Vorräte habe, um mich ggf. selbst zu nähren um bei Kräften zu bleiben. Ich freue mich auf den Anblick meiner Mama, wenn ich ihr ein Kleid schenke.
Ich wünsche allen Müttern, dass euch trotz allem an diesem Tag ehrliche und aufrichtige Aufmerksamkeiten zu teil werden. Dass jemand da ist, der trotz allem und jetzt erst recht „Danke“ sagt. Dass jemand da ist, der euren Speicher auffüllt und euer Herz zum Schwamm wird. Dass jemand da ist, der ehrlich mit euch poltert. Nichts ist selbstverständlich. Du bist es schon gar nicht. Stell dich in die Sonne.