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"Machen Sie mich schön, Madame Zoe"

"Machen Sie mich schön, Madame Zoe"

2017 fand im Wiener Leopold Museum eine Ausstellung mit dem Titel „Machen Sie mich schön, Madame d’Ora“ statt. Gezeigt wurden Portraitfotografien von Frauen und Männern wie Josephine Baker, Coco Chanel und Marc Chagall, die sich im Atelier der Jüdin Dora Kallmus wie zuhause fühlten.

Die MASI Kollektion 2019/20 (→ nachzulesen im Blogbeitrag MASI) ist eine Hommage an diese starke, mutige und emanzipierte Frau, deren künstlerischer Blick sich nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges grundlegend veränderte. Die Kollektion wurde von Michaela Riess von Zoe Goldstein Photographie maßgeblich inspiriert und fotografiert. Ich bin eingeladen, in Zoes Atelier Platz zu nehmen, welches sich ganz in der Nähe des Mariendoms befindet. Wenn Sie neugierig darauf geworden sind, welche Bedeutung Mode, das Frau-Sein und Schönheit im Leben von Zoe einnehmen, dann lesen Sie unbedingt weiter.

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Ich bin fasziniert von dieser feinsinnigen, eleganten und gleichsam so fröhlichen jungen Frau. Die Fotografiekünstlerin und angehende Bildwissenschaftlerin, ermutigt die Rezipient_innen ihrer Kunst, in einer Welt der Bilderfluten ein neues Schauen und ein Staunen vor dem Bild und seinen Sujets zu kultivieren. Eine echte Wahrnehmungsschule, die vor den „Schönheiten der Menschen“ und der Eigen-Würdigkeit des Bildes als mehrdimensionaler und vielschichtiger, vor allem auch haptischer Gegenstand, erzählt. Sie müssen sich unbedingt einmal ihre zärtlichen Fotografien von US-amerikanischen Rappern ansehen, die ihre eigene Verletzlichkeit eigentlich gar nicht so gerne zeigen. Ich bin neugierig darauf, welche Bedeutung Mode für Zoe hat und wie es ihr als junger Mutter und Künstlerin gelingt, den inneren Dialog mit sich selbst zu pflegen.

Zoe, du hast die aktuelle MASI Kollektion im Stile der 20er Jahre nicht nur inszeniert und fotografiert, sondern du warst maßgeblich am Prozess der Ideenfindung beteiligt. Woher hast du damals deine Inspiration genommen?

Ich habe in den letzten Jahren die MASI Kollektionen fotografieren und dabei einiges ausprobieren dürfen. Vieles spiegelt Phasen meines eigenen Arbeitens wieder. In diesem Jahr habe ich mich nach der Relevanz der Modefotografie überhaupt gefragt. Was bedeuten diese Bilder für MASI? Was ist eigentlich das Charakteristische von MASI? Wie gelingt es, genau dies hervorzuheben, aber auf andere Art und Weise zu zeigen? Ich habe zunächst begonnen, Synonyme für dieses Besondere, das MASI ausmacht, zu finden.

Material, Qualität und Form sind jene drei Elemente, die für MASI von großer Bedeutung sind. MASI beinhaltet Lebendigkeit, Bewegung und Intensität, die durch die immer neuen, farbenprächtigen Kollektionen, unterstrichen werden. Mit MASI verbinde ich die teilweise strenge Form, die an den Strick gebunden ist. Der Stick kann hart sein, er zeigt dir jedes Detail und kann genauso positiv hervorhebend und betonend wirken. MASI steht für Weiblichkeit und Natürlichkeit. Und beim Thema Weiblichkeit bin ich hängen geblieben. Es beinhaltet die Frage nach der Position und der Stellung der Weiblichkeit in unsere Gesellschaft.

Als diese Synonyme vor mir lagen, – und vielleicht auch aufgrund meines persönlichen Forschungsinteresses – war es für mich offensichtlich, dass diese Dora Kallmus beschreiben. Dora Kallmus, einer jüdischen Großfamilie entstammend, war sehr zielstrebig, emanzipiert und mutig. Im frühen 20. Jahrhundert war dies nicht leicht sich als Frau in einer Männerdomäne zu positionieren. Sie war sehr selbstbewusst, und dies hat ihr mitunter Probleme verursacht. Zum Beispiel hat sie sehr selbstbewusst, spezielle Inserate geschalten, in denen sie sich als Kunstfotografin deklarierte, und sich als diese etablieren wollte. Genau diese Bezeichnung war besonders für die männliche Konkurrenz herausfordern und wurde als Affront empfunden. Für Kallmus führten die Anfeindungen möglicherweise zu einer noch größeren Motivation sich künstlerisch zu positionieren.

”Von Kallmus fotografiert zu werden, war etwas ganz Besonders.”

Alleine das Atelier zu betreten, eröffnete eine neue Welt. Ihr Atelier hatte etwas Heimeliges, etwas Elegantes, Gemütliches, Kreatives und ebenso Geborgenes. So ähnlich wie bei mir (lacht). Eine Dame hat das vor ein paar Tagen zu mir gesagt. Man glaubt immer, ich wohne auch hier. Nicht dass ich mich mit Kallmus vergleichen möchte (lacht). Es gibt natürlich viele Studios, die weiß sind. Das weiße unbeschriebene Blatt Papier hat auch Vorteile. Ich persönlich brauche es anders (lacht). Ich hätte schon auch gerne dieses unbeschriebene Blatt Papier. Ich habe halt ein „Eckerl“ davon. Sobald das Blatt Papier zu weiß ist, muss ich irgendwas reinkritzeln. (lacht) Und dann bau ich gleich wieder Hintergründe auf und ich mag es. Ein Studio ist immer Ausdruck des eigenen Stils und der künstlerischen Herangehensweise. Das sieht man zum Beispiel auch bei d’Oras Bildern, die sehr extravagant und außergewöhnlich waren.

Ich kann das nur bestätigen. Man fühlt sich wohl bei dir im Studio. Dein Studio strahlt Wohnzimmeratmosphäre aus, und hat etwas Salonartiges. Ich könnte mir ganz Vieles vorstellen. Wilde Diskussionen, feministische Zirkel. (Zoe lacht, ich auch). Hier, scheint alles möglich zu sein. Ein multifunktionaler Raum, der sehr einladend wirkt.


Ausgehend von der Idee einer Hommage an Dora Kallmus, die ja sehr viele Menschen des öffentlichen Lebens, wie Schauspieler_innen, Künstler_innen fotografiert hat, habe ich mir gedacht, ich will dafür Persönlichkeiten unseres öffentlichen, kreativen Lebens portraitieren. Ich will Frauen portraitieren. Kallmus repräsentiert für mich für Emanzipation, Sensibilität und Kreativität, und so sollten es Frauen sein, die genau das für mich verkörpern. Es sollten Frauen des kreativen, künstlerischen, öffentlichen Lebens sein, die etwas für die Szene, für die Gesellschaft bewirken. Es sollen Frauen sein, die ein Teil davon sind, ein Puzzlestück des großen Ganzes. Nur so war es stimmig für mich, in Erinnerung an Madame d’Ora eine Kollektion – aus einer Linzer Perspektive – zu inszenieren. Und das ist auch die Botschaft, die die Frauen auf den Bildern vermitteln sollen.

Emanzipation, Sensibilität und Kreativität

Schlägt man im Duden nach, findet man unter dem Stichwort „Mode“ jenen Definitionsvorschlag: „etwas, was dem gerade herrschenden, bevorzugten Geschmack, dem Zeitgeschmack entspricht; etwas, was einem zeitbedingten verbreiteten Interesse, Gefallen, Verhalten entspricht“. Kann sich durch Mode nicht auch eine Gegenbewegung zu Schnelllebigkeit materialisieren? Wird Mode generell unterschätzt und welche Bedeutung hat Mode für dich persönlich?

Mode ist für mich Ausdruck und Sprache der eigenen Zeit.”

Das ermöglicht mir, auf meine Art und Weise zu erzählen wer ich bin und was mir gefällt. Welche Interessen ich habe. Im Jahr 1864 hat sich Charles Baudelaire, ein französischer Lyriker und Schriftsteller, intensiv mit dem Thema Mode auseinandergesetzt. Er war der Meinung, dass alle Zeiten und Völker ihre Schönheiten haben, und so haben auch wir notwendigerweise die unseren. Schönheit ist dabei immer etwas Subjektives. Denkt man an Mode, ist dies stets mit einer speziellen Ästhetik verbunden. Mode hat was Elegantes, hat immer etwas mit Schönheit zu tun, ist aber auch etwas Subjektives. Das ist ganz interessant, weil Baudelaire das Thema bereits im 19. Jahrhundert beschrieben hat, wenn auch er ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal hatte. Er definierte Modernität grundsätzlich als etwas Zufälligkeit, etwas Vorbeiziehendes.

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Heute würden wir es als Zeitgeist oder Trend übersetzen. Mode war für ihn ein Phänomen der Moderne und ließe sich als etwas Flüchtiges, Vergängliches beschreiben, als eine Schönheit gegenwärtigen Lebens. Das finde ich einen ganz interessanten Ansatz. Er nahm der Modernität wie der Mode gegenüber eine wertschätzende Haltung ein. Das war jener Punkt, an dem andere zeitgenössische Autoren seine Ansichten nicht teilten. Wo Gegner Mode als etwas Redundantes betrachteten, rückte Baudelaire sie in die weibliche Interessenssphäre.

Meiner Interpretation zu folge, hatte dieser Gedanke, Mode und Weiblichkeit zusammenzudenken, und diese in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, etwas Revolutionäres. Der weiblichen Interessensphäre Raum zu geben bedeutete, entgegen der Gesellschaft mitsamt ihren patriarchalen Strukturen aufzutreten. Und das von einem Mann. Ich kann sein Modeverständnis gut teilen. Mode folgt neuen Entwicklungen, spiegelt Gesellschaften und Trends wieder und fungiert auch als Spiegel. Ich beobachte sehr gerne. Zum Beispiel auf den Straßen von Linz: Da vermisse ich manchmal ein bestimmtes Gefühl: Mut zur Mode als Mut zum Ausdruck. Vielleicht ist dieser Un-Mut zurückführbar auf die permanente Überflutung von Bildern, Eindrücken, Dingen, mit denen wir uns tagtäglich auseinandersetzen müssen.
Es bleibt kaum Raum um sich den Fragen zu stellen: Wer sind wir? Was wollen wir eigentlich ausdrücken?

Es fehlt an Mut zum Ausdruck auch nach außen hin. Es herrscht gefühlt eine solche Anpassung vor. Warum sagen wir nicht mehr was wir denken?

Und ob darin die Mode eine gewisse Schnelllebigkeit, eine Routine zu unterbrechen vermag? Ja, ich denke schon, dass sie das kann. Das sieht man auch an der „slow fashion“ Bewegung, an der gesteigerten Sensibilität für Ökologie, Ressourcenverwendung. Mode materialisiert innerhalb dieser Bewegung ein Gespür für die Welt zu haben.

Was macht für dich Stil und Qualität aus?

Stil ist für mich gleich Mut. Qualität hat etwas mit Können zu tun. Der Handwerkscharakter ist dabei ganz zentral. Stil und Qualität stehen für Zeit und Aufmerksamkeit den Dingen gegenüber, die wiederum diese Philosophie repräsentieren. Die MASIs haben ihre eigene Philosophie. MASI bedeutet ja Freund, Gefährte und diese aufmerksame Haltung steckt in jeder Kollektion von ihnen.

“Stil ist für mich gleich Mut.”

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Dora Kallmus war eine mutige, eine emanzipierte Frau, ja eine der ersten Frauen, die ein Fotostudio eröffnete im Wien der 20er Jahre. Sie war geschickte Gastgeberin und hat Atmosphären kreiert, in denen sich Frauen gelassen und wohl fühlten, sodass diese Seiten an sich zeigen konnten, die sonst vielleicht im Verborgenen geblieben wären. Dein Studio ist für mich ein Ort, an dem eine ähnliche Atmosphäre vorherrscht. Welches sind deine berührendsten Momente als Fotografie-Künstlerin, wenn du durch die Linse blickst?

Ein besonderer Moment ist immer der, wenn die Personen auf den Hintergrund gehen. Da spüre ist ganz intensiv, dass sich etwas ereignet. Die Menschen gehen an mir vorbei, ich begebe mich mit meinem Kopf hinter die Kamera und dann betreten die Menschen eine Bühne. So gibt es nicht den einen Moment, den ich benennen könnte. Generell, es ist dieser Prozess, den ich so liebe an meiner Arbeit.

Das Schöne ist, den Menschen, die alle mit Erwartungen vor der Kamera stehen, Geborgenheit zu vermitteln. Da ist ganz viel Zwischenmenschliches, das sich ereignet. Ich habe das Gefühl, dass ich den Menschen auf ganz besondere Art näherkommen darf, sie von einer ganz besonderen Art kennenlernen darf. Ja, und darum fotografiere ich auch so gerne Menschen. Egal, ob Frau, Mann, alt, jung, groß klein. Menschen haben für mich an sich einen speziellen Reiz. Fotografie ist etwas sehr Intensives und Intimes. Susan Sontag hat einmal gesagt:

”Fotografieren heißt Bedeutung verleihen.”

Das trifft es ganz gut. Ebenso empfinde ich die Fotografie. Nicht nur dem Menschen Bedeutung verleihen, Wertschätzung entgegenbringen, sondern auch dem Bild an sich Bedeutung verleihen.

Welche Frauen faszinieren dich gegenwärtig?

Menschen im Generellen faszinieren mich. Ich flaniere gerne durch die Stadt, durch die Straßen und Gassen von Linz und ich beobachte dabei Menschen. Das passiert mir einfach, und ich finde, auch wenn sie keinem klassischen Schönheitsideal entsprechen, so gibt es so viele wunderschöne Menschen auf der Welt. Ja, ich würde sagen, es gibt so viele Schönheiten.
Ideale Maße gibt es für mich überhaupt nicht. Ich bin offen und unvoreingenommen, auch dem Alter gegenüber. Wenn du mich nach einer konkreten Frau fragst, die mich gegenwärtig fasziniert, dann steht diese Frau derzeit in engem Zusammenhang mit meiner Forschungsarbeit. Ich durfte die berühmte, international erfolgreiche österreichische Modefotografin Elfie Semotan kennenlernen. Sie fasziniert mich sehr. Elfie Semotan ist mittlerweile über 70 Jahre alt und eine ganz wunderbare und spannende Frau. Im Rahmen des Gesprächs habe ich mir im Vorfeld viele Interviews aus den vergangenen 10 Jahren angesehen und festgestellt, dass sich kaum jemand für ihre Fotografie interessierte. Sie war eine sehr gute Freundin vom Modeschöpfer Helmut Lang, und war mit zwei berühmten Künstlern – Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger – verheiratet. In vielen dieser Interviews wird sie beinah ausschließlich auf ihre Beziehungen reduziert. Das ist eigentlich ein Wahnsinn. Sie hat ihre Karriere als Fotomodell begonnen, und dann selbst mit der Fotografie begonnen. Natürlich hatte sie viele Kontakte, musste sich durchsetzen, und hat dabei etwas ganz eigens geschaffen, eine eigenständige Bildsprache entwickelt, die Modefotografie mit einer feministischen Perspektive konfrontiert. Was ihr die Modefotografie ermöglicht hat, war, mit Kreativität und Kommerzialität zu spielen. Ich denke zum Beispiel an die schöne Serie „Male Gestures“. Semotan inszenierte dafür Frauen in typisch männlichen Posen, Gesten, Gewändern. Das ist wirklich super.

Du bist selbst Fotografiekünstlerin, und Mutter. Hat das Mutter-Sein deine Reflexionen zum Thema „Frau-Sein“ vorangetrieben, verändert? Hat es deine Kunst um eine Facette reicher gemacht?

Ja, das hat schon etwas mit mir gemacht. Zunächst bin ich einmal sehr nativ an das Thema Mutter-Sein herangegangen. Ja, woher sollte ich es denn auch wissen, wie es sein sollte, ist es doch mein erstes Kind. Es macht schon etwas mit einer Frau. Vor allem wurde ich mit Stereotype konfrontiert, wo ich begonnen habe zu hinterfragen. Wie sieht meine weibliche Perspektive aus? Was ist eigentlich meine Aufgabe? Wie beschreibe ich diese, meine Perspektive und meinen Auftrag? Ich muss gleich sagen:

“Ich bin allergisch auf Klischees!”

Besonders stereotype Rollenbilder üben dennoch eine gewisse Faszination auf mich aus, weil diese mich fragend machen, wie gewisse Rollenzuweisungen so lange funktionieren konnten. Was dies den Frauen an Kraft gekostet haben muss? Diese Anpassung. Ich und mein Partner haben eine Beziehung in der Gleichberechtigung etwas ganz Zentrales ist, wo es im Grunde keine stereotype Rollenzuweisung gibt – obwohl er Rapper ist (lacht). Ich denke, die nächste Generation – die Generation unserer Söhne – wird es schaffen, dass bestimmte Dinge ganz selbstverständlich sein werden. Dass es eben nicht die alleinige Aufgabe der Frau ist zu organisieren, den Haushalt zu führen, zu kochen etc. Und obwohl wir in einer reflektierten Gesellschaft leben, es aufgeklärte Männer und Frauen gibt, gibt es dennoch zahlreiche Beispiele, die eine gegenteilige Geschichte erzählen.

Das Mama-Sein hat mich stark mit diesen Stereotypen konfrontiert. Es war ein echtes „Aha-Erlebnis“ für mich, gerade weil ich eben so anders mit Rollenbildern umgegangen bin. Etwas selber zu erleben, etwas selber zu spüren, bedeutet für mich nochmals etwas ganz Neues zu erfahren. Und ich habe trotzdem mit meinem zweiten Studium begonnen, wenn auch es eine richtig schwere Entscheidung für mich war. Von meinem Partner hatte ich die volle Unterstützung, das „Problem“ lag ganz woanders, nämlich bei mir selbst. Ich war der Ansicht, ich müsse da sein, ich dürfe das jetzt nicht machen, ich könne nicht weggehen um zu studieren. Es führte zu einem ständigen Hinterfragen der eigenen Entscheidungen und Möglichkeiten.

Ich habe einen Partner, der mir alles ermöglichen möchte. Nur ich glaubte, dass ich zu wenig mache. Ich musste mich der Frage stellen: Woher kommt denn das? Woher habe ich das? Das war das Faszinierende? Ich komme immer wieder in Situationen, wo ich mir dessen bewusst werden muss, dass gewisse Erwartungen nicht von meinem Partner an mich herangetragen werden, sondern von mir kommen. Dann, wenn ich mir zu viel Druck oder Stress mache, wenn ich das Gefühl habe, alles perfekt machen zu müssen, oder ich der Meinung bin, sie schaffen es nicht ohne mich. Dass ich das Studium durchgezogen haben, hat ganz viel mit mir gemacht. Es war sehr wichtig für mich, dass ich es gewagt habe. Ansonsten habe ich mehr Gelassenheit gelernt. Obwohl ich einen dreijährigen Buben habe (lacht). Ja wirklich, Jahrzehnte lang hatte ich den einen Neujahresvorsatz: Gelassener zu werden. Durch meinen Sohn ist mir das jetzt erst gelungen.

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Du hast selber gerade erwähnt, dass Frauen einem permanenten Druck ausgesetzt sind, alles perfekt machen zu müssen. Tatsächlich nehmen Frauen sehr viele Rollen ein. Häufig liest man vom „mental load“, einer Form von permanenter Denkarbeit, die Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen ihres beruflichen wie privaten Lebens leisten. Wie gelingt es dir, die Balance zwischen den unterschiedlichen Rollen, die du als Frau einnimmst, zu finden? Hast du kleine Rituale, die dich dahingehend unterstützen, den inneren Dialog mit dir zu pflegen?

Also ich denke überhaupt nicht in dieser Unterscheidung. Nicht zu denken ist oft das Beste (lacht). Oft habe ich ein Fotoshooting, eine Stunde später schreibe ich etwas für die Uni, und dazwischen bin ich Mama. Ja, das sind unterschiedliche Rollen, aber ich denke tatsächlich nicht über die Rolle nach, da ich in diesen Rollen ohnehin so vieles Bedenken muss, dass ich oft ganz froh bin, ganz leicht switchen zu können.

Ob ich Rituale habe um den inneren Dialog mit mir zu pflegen? Solche habe ich nicht wirklich. Denn Rituale haben ja etwas Regelmäßiges, und das gibt es wenig in meinem Leben. Aber ich laufe gerne und das würde ich gerne regelmäßiger betreiben. Einmal pro Woche schaffe ich es, um genau diese Momente für einen inneren Dialog zu haben. Zeit, für innere Gedankengelassenheit.

Beim Laufen gelingt mir dies sehr gut, es entspannt mich und ich könnte ewig dahinlaufen. Ständig in Bewegung zu sein ist grundsätzlich ein ganz wesentlicher Teil meines Seins. Die Frage, ob ich Rituale habe, habe ich ganz nett gefunden. Ja, stimmt, eigentlich ist da etwas: Rituale, die mich unterstützen, meinen inneren Dialog fördern, mich pflegen. Diese Frage sehe ich eher als Anreiz an. Dass ich genau das mehr tun sollte.

Wie wunderbar, dass auch ich dich mit einer Frage inspirieren konnte, denn du hast mich zutiefst beeindruckt, und ich bin ganz glücklich darüber, dass du mir deine Zeit geschenkt hast.

Ich danke dir für die tollen Fragen.


Zoe Goldstein erfindet sich gerade wieder neu, oder fügt ihrem Fotografiekünstlerin-Sein eine neue Facette hinzu. Im „Atelier für vornehme künstlerische Photographie“ können Sie herrlich nostalgisch, schöne Fotos von Ihnen und ihren Lieben anfertigen lassen. Mehr dazu unter Zoe Goldstein Photography

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