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Vom Engel, der seine Flöte verlor

Vom Engel, der seine Flöte verlor

Engel, was machst du nun, deiner Flöte beraubt?
Wie ein Dieb in der Nacht kam er, um sie dir zu entreißen.
Hab ich recht? Oder möchte nur ich das glauben? 
Oder hast du etwa nie eine besessen? 

Engel, was machst du nun, deiner Bestimmung beraubt?
Bist du doch der Wächter an der Schwelle. Bist du doch der Hüter der Musik. Bist du doch der Garant für das Loben und Danken und Preisen. Und tust dies alles ein klein wenig an meiner statt.

Das Flötespielen hab ich schon lange verlernt. Und das Loben liegt mir nicht im Blut. Aber du, du hast es doch versprochen. Und nun bist du deines Werkzeuges beraubt?
Ich will nicht glauben, dass du es eines nachts einfach fallen ließest, als der Landstreicher seiner Wege ging und Ausschau hielt nach einem warmen Platz. 

Ob du vielleicht Mitleid hattest? 

Denn eine warme Decke hattest du nicht. Und das Stück Brot war schon lange aufgegessen. Rosen wolltest du nicht streuen. Aber deine Flöte, die konntest du ihm geben.
Sei ehrlich, sie ist dir schon zu lange schwer geworden. Du wolltest sie loswerden. Um für einen Augenblick zu fühlen wie es ist, mit leeren Händen dazustehen. Um einmal deinen Atem für dich zu behalten. Um einmal still zu sein. 

Sei ehrlich, Engel, du bist des Lobens müde? 
Was machst du nun, Engel, mit leeren Händen? 
Darf ich dir behilflich sein?

Ich bin ehrlich, denn hoch steigen möcht ich manchmal zu dir um dir meinen Finger anzubieten. Umklammern darfst du ihn, wie es die kleinen Kinder noch können. Ja, ich biete dir meinen Finger an, dann sei du mir ein Instrument. Flüstere du mir von den Menschen an der Schwelle. Und wie du ihnen Lieder anstimmtest. 

Erzähl mir, wie das Loben geht. Ich leih dir meine Hand dafür. Ließ daraus so viel du willst. Wenn nur du mir von Gottes Lieblingsliedern erzählst. Vielleicht werd ich sie ja üben. Doch heute brauch ich keine Partitur. Kein Lob. Keinen Dank. Keine Klage. 

Nur deine stille Hand. 

Sei nicht traurig, Engel, ich komme wieder und erzähle dir vom Landstreicher mit der Flöte in seiner Hand. Nicht selten hör ich ihn nachts unter meinem Fenster spielen. 


Der Küchenboden und ich

Der Küchenboden und ich

Im Wunder steckt Wunde

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