Straßenmusik
Wenn ich genau hinhorche, dann wird die Stadt zum Klangteppich. Die Straßenbahnen summen im Moment des Nebenher. Sie klingeln und surren. Beschleunigen. Werden langsamer. Nehmen Fahrt auf. Bleiben stehen. Die Türen öffnen sich und klappern im Augenblick des Schließens. Fahrräder rumpeln über Pflasterstein und Schiene. Tonnen werden geleert und Stofftiefe daraus gerettet. Am Fenster der Schule lese ich vom „Fingerballett“ und stell mir den Tanz der begehrenden Hände, die alle gehört und gesehen werden wollen, vor.
Wasser wird aus Eimern geleert und verschwindet plätschernd im dunklen Untergrund. Was bleibt, ist eine seifige Spur auf dem Gitter.
Menschen biegen um die Ecke. Übersehen mich manchmal dabei. Der harte Grund verhilft den Gangarten sich Gehör zu verschaffen. Absätze erklingen wie Stöcke und geben den Takt der Morgenstunde vor. Hohe, niedrige, flache, weiche, abgewetzte, harte Sohlen stimmen ein und lassen eine Melodie erkennen. Kleine Schritte, große Schritte, schnelle und auch langsame lassen erahnen, dass irgendwo ein Ort ist, der wartet und dich braucht. Manchmal beginne ich zu spielen mit Orten und Menschen. Navigiere sie in fremde Räume. Vertausche ihre Positionen und stelle mir vor, was wohl passierte.
Wie klingt morgens meine Musik?
Inmitten der Gleichzeitigkeit von Geschwindigkeiten zeichne ich einen Punkt. Vergesse das Ziel und den Ort. Für einen kurzen Moment lasse ich es rauschen. Welch ein Momentan-Luxus.
Ich stehe recht unnütz vor dem durchsichtigen Schaufenster, werde zur irritierenden Staffage vor Bademodenszenerien. Ich könnte mich ja hineinträumen in Sand und Meer.
Ich mag lieber Horchen was mich genau in diesem Moment umspielt.
Stille und Lärm geben sich manchmal die Hände. Die Stadt wird für mich zum tönenden Körper und beruhigt mein aufgescheuchtes Herz. Es sind nur kleine Schritte und feine Akzente, die es braucht um Kulissen zu verändern und Gehörgänge zu öffnen.
Durch dich und mit mir wandelt sich das äußere und innere Lied.
