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Mit dem Leiden baden gehen ...

Mit dem Leiden baden gehen ...

Mit dem Leiden ist es wie mit einem Bad, das ich mir genehmige.
Seit März als der Lockdown kam, zog es mich in den schlammigen Untergrund des Scheiterns.
Scheitern als grausige Schlammmasse, die alles unter sich zu begraben scheint: Kultur, Lachen und schöne Stunden mit den Liebsten- ohne das Wörtchen mit C., das seit dieser Zeit in aller Munde und Gedanken ist. Das C-Wort hat sich in alle meine Körperzellen gefressen und nun versuche ich es aus mir hinauszuwaschen, mich zu säubern und in die Welt zu blicken. Mutig versuche ich dennoch meine nächsten möglichen Schritte im Alltag setzen zu können- und sei es nur ein angedeutetes Lächeln, das unter der Maske verborgen bleibt und nur mit Fingerspitzengefühl an einer leichten Lachfalte des Gegenübers vermutbar ist.

Leiden, das tue ich beileibe nicht gerne, scheitern schon gar nicht und darüber schreiben auch nicht. Wer mich kennt, kennt mich entweder fröhlich, voller Ideen, etwas verrückt aber mit großem Herz, oder zurückgezogen, beobachtend und reflektierend. Seit März lerne ich mich und die Welt auch anders kennen. Wenn ich es schaffe und mich in die Welt hinaustraue, die mir kälter als sonst vorkommt (voller Ängste um finanzielle und emotionale Existenzsorgen, als auch um Leben und Tod), muss mich mein wohlig warmer oranger Mantel begleiten. Meine Schutzfarbe: Orange.
Wie die ersten Herbstblätter oder die Lampionblüten im Garten. Schneller als sonst versuche ich meine Alltagsdinge zu bestreiten, fühle das Misstrauen vieler Menschen untereinander, die Ratlosigkeit, die sich in den Blicken an Bushaltestellen spiegelt, die Eintönigkeit und die Masse an Menschen, deren Individuum unter der Maske fast erlischt. Das Lächeln, die Mimik und die Lebensfreude sind abhanden gekommen. Wie mir, geht es wohl vielen von uns.

Doch was ist sichtbar in dieser Zeit? Was verbirgt sich zwischen den Zeilen? Gibt es einen Geheimcode, eine Art Maskensprache, der non-verbalen Austausch zulässt? Ein aufbauendes Nicken und "Beileidwünschen" zur aktuellen Lage. Selbstmitleid und Leid des anderen zugestehen?

Vielleicht hat in unserer Leistungsgesellschaft der letzen Jahrzehnte nun endlich die Leidensgesellschaft Platz gefunden, die erschreckend bemerkt, dass der viele Druck auf die Gemüter schlägt, aber dass auch das ständige "think positve" nicht immer richtig am Platz ist.

Beileibe will ich mich nicht unter den PessimistInnen wiederfinden, dennoch ist es wie ein Wunder für mich, dass Luft und Atmen einen neuen Stellenwert in meinem Leben finden. Dass ich mir zugestehe auch mal leiden zu dürfen. Es fast auch mal genießen lerne, für gewisse Zeit mich selbst zu bemitleiden, mich darin zu suhlen und alte traurige französische Chansons höre, während ich mir in meiner Dusche vorstelle, in einer schlammigen Badewanne mit Rotweingläschen und Kerzen zu sitzen, meine geplatzten Träume in Form von Seifenblasen absichtlich zerplatze und den Schlamm auf meiner Haut spüre.

Schlamm deckt zu und zieht runter. Schlamm macht aber auch schön und dickt ein. Schlamm kann Tränen der letzen Zeit aufnehmen, ich darf mich kreativ schmutzig machen und leiden. Der Druck fällt, die Trauer fließt. Es hat was Reinigendes an sich. Nach dem Schlammbad, wann immer das in Gedanken auch sein mag, darf ich bewusst entscheiden, aus dem Schlammbad zu steigen, empor in den Himmel zu blicken und mich auf die Sonnenstrahlen da oben zu freuen. Nach dem Verlassen des Leidenszustandes zu atmen, wieder neu zu strahlen. Das Leid abzustreifen, mich in der Sonne zu trocknen, neue Kleider anzuziehen, die wohlriechend mich umhüllen und mich an neue Wachstumsorte führen, wo ich tief und genug atmen kann.

Lebensluft!- ich freue mich schon jetzt darauf, wann auch immer das sein wird.


Magdalena Freund

Gib, was du kannst. Nimm, wie du magst. Das wird ein Wunder.

Gib, was du kannst. Nimm, wie du magst. Das wird ein Wunder.

Abend

Abend