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Erde und Licht

Erde und Licht

Ich mache mir die Hände schmutzig. Wühle in Lehm und schwarzer Erde. Möchte graben bis zum Grund. Doch glätte ich die Erde. Mir ist ein Stück Boden anvertraut. Ich werde mich darum kümmern. Das Holzkreuz ist morsch. Es muss weichen. Jetzt steht ein schiefes, metallenes Kreuz an der Stelle, wo kein Name verzeichnet. Ich mag das Verquere im Schachbrettmuster. Ich erinnere mich an jedes Gesicht. An krumme Rücken. Zu schwere Beine. Gezeichnete Hände. Wache Augen. Gesichter, denen keine Falten geschenkt. Wie sehr hätte ich es ihnen gegönnt. Der Engel sitzt zu Haus im Trockenen, wartet, dass er leuchten kann im Heizkörper-weißen Kleid. Blumen werden ausgerissen. Frühlingsgedanken in Winter gepflanzt. Geschäftig ist es. Traurige Stimmen tönen über den Garten. „Es gibt keinen gemeinsamen Gang. Wer segnet nun die Gräber?“ Eine andere Frau erwidert: „Das können wir auch allein“. Das Kind fragt, wer die Toten nährt? Ich schweige. Und frage mich: Was nährt die Lebenden? Es ist still. Ich stecke meine Finger in die Erde. Als Kind hab ich mir Lichter geborgt. Dann, wenn es still und dunkel war. Ich staunte über den Lichterteppich und vergoss Tränen über verlassene Gräber. Dann nahm ich ein Licht, wo Hunderte standen. Gezählt hab ich sie nicht. Stellte eines ab an das leere, kleine Grab. Stolz war ich und glücklich. Die Welt schien wieder im Lot. Es gibt immer eine Alternative. Meine Großmutter sorgte sich um mein Seelenheil. Denn Lichter entwenden, das gehöre sich nicht, mehr noch, das sei etwas wirklich Böses. Ich war ein Kind. Ich wollte nichts Böses. Und spürte, das war ich auch nicht. Im nächsten Jahr blieb der Gräber Spaziergang mein Geheimnis. Heute bin ich kein Kind mehr. Doch noch lange nicht groß. Ich werde wieder warten bis es dunkel wird, dann gehe ich dem Staunen entgegen. In diesem Jahr bin ich in Begleitung. Ja, ich glaube, wir schaffen das allein. Ich glaube an die Kraft segnender Augen. Erinnernder Hände. Aus zwei Paaren werden vier. Ich glaube an die Kraft begreifender, gefühlter, gesungener Geschichten und an die Zärtlichkeit eines jeden Lichts. Was für ein Gewebe legt sich über die Erde. Verknüpfungen, Verbindungen, Verkörperte Wärme und nasser Lehm. Da wage ich gerne gemeinsame Schritte. Mein Geheimnis will ich teilen. Vielleicht eines davon. Nächstes Jahr pflanze ich Erdbeeren und eine Ribiselstaude. Entwenden als Nahrung. Für alles, was Beine hat und Flügel. Von Herzen erwünscht. 


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Wunder über Wunder

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