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Eine Erdbeere ist eine Erdbeere ist eine Erdbeere

Eine Erdbeere ist eine Erdbeere ist eine Erdbeere

„Mama, was empfindest du für die Erdbeere? – Also so richtig, echt?“ fragte mich mein Sohn, als ich versuchte den besten Geschmack der ersten erworbenen österreichischen Erdbeere zu imaginieren noch bevor ich einen Bissen davon wagte. So richtig geklappt hat es auch nicht. Einen Versuch war es wert. Ich fragte mich, so richtig, so ehrlich: Warum musste es denn gleich die Vollkommenheit einer Erdbeere sein? Warum überhaupt imaginieren? Warum nervt es meinen Sohn, dass ich dies tat?

War es für ihn etwa eine verlegene Flucht in die Trugbilder? Eine Flucht aus der Realität, die es irgendwie aus einer Mangelerfahrung heraus zu übersteigen galt? Dabei war es vielleicht nicht die geschmacklose Erdbeere, die es für ihn zu überwinden galt, sondern möglicherweise die ganze Szenerie?

Ich stellte mir den perfekten Geschmack vor? Liegt dort der Hund begraben? Denn wie stellt man denn etwas Abwesendes vor sich hin, ohne, dass man dem Präsenten Aufmerksamkeit schenkt? Ist das Perfekte nicht zu schnell das Unerreichbare? Oder müsste das Perfekte, das Paradies, nicht stets der Maßstab aller Handlungen sein? Kann man die eigene Imaginationskraft kultivieren, ohne auch nur für einen Moment die Kontrolle abzugeben? Ohne sich anrufen zu lassen, sich affizieren zu lassen, zu kosten, von dem, was einem so nahe ist?  

Eine Erdbeere ist eine Erdbeere ist eine Erdbeere. Und doch so viel mehr. Ich staune über ihre Aufdringlichkeit. Ich staune und denke über die Möglichkeit der Kontemplation des Schauens nach. Vielleicht liegen den ganz alltäglichen und beiläufigen Dingen, den vorüberziehenden Gesichtern eine Offenbarungsqualität zu Grunde, die mich dazu bewegen, einer möglichen Poetik des Seins nachzuspüren. 

Und diese Poetik des Moments birgt stets ein Unruhepotential, das in mir das Wissen um das Fehlende zu ihm Passende wachhält, mich mit dem Eingekauften - im weitesten Sinne - nicht vorschnell zufrieden und dankbar stimmen lässt. 

Wie in einem Vergrößerungsglas wird mir deutlich – nicht nur vor Augen geführt –, sondern fühlbar durch Mark und Bein geschossen, was das Fehlende und das Passende sein müsste. Gerechte Verteilung von Wasser, Sonne, Raum, Zeit, Zuwendung, Nahrung, Geld, Beteiligung, Farbigkeit. Meine Imaginationen sind dabei keine Flucht in eine erträumte Welt, die jenseits meiner Vorstellungskraft ihre Bedeutung entfalten, und mich zu trösten wüssten, sondern entfalten mitten im Moment des Schmeckens des Mangels, mitten im Dasein einen Aufbruch, der eine Sättigung für die Vielen, Teilhabe am Geschmack des Bestmöglichen nicht nur für die Wenigen einfordert.  

Unsere Bilder sind schöpferisch und wirksam. Zukunftsbilder setzen neu im Hinblick auf das, was kommt, noch nicht ist, und sein sollte. Sie können nicht entstehen ohne mein tiefes Mit-Empfinden: Für das Sichtbarwerden des Unsichtbaren. Für das Erhören des Unerhörten. Für das Ergreifen des Unbegreiflichen.  

Nicht zur Repräsentation des Vergangenen führen mich die Imaginationen, vielmehr beginnen sie eine neue Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte ist immer offen. In meiner Geschichte darf der Wolf nicht triumphieren, da braucht es nicht mal einen Jäger. Da beginnt alles mit zwei mutigen Frauen. Ein schöner Moment um ein vielsprachiges Schreibprojekt zu starten. Als Wegzehrung hab ich natürlich eine fabelhafte Gabe bereit gestellt: Ein prall gefüllter Erdbeeren-Korb.


Einladung zum Wunder(n)

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Was kostet ein Wunder?

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