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Drunter und drüber und dazwischen ganz viel mitten drin

Drunter und drüber und dazwischen ganz viel mitten drin

Zwischen Herz und Kopf liegt doch irgendwie der Magen. Also, nicht organisch gesehen, aber doch als eine Instanz, die sich gerne dazwischenschiebt. Auf sich oder etwas aufmerksam machen möchte. Manchmal ganz leis, sodass man die Zeichen und Laute gerne überhört oder bei Seite schiebt. Man sich ein Kirschkernsackerl erwärmt, oder sich einen Whisky Sour verschreibt. Wobei das Saure nicht unbedingt die beste Arznei für Jedermann und Jederfrau ist. Der Bauch, eine Instanz, die man tendenziell unterschätzt? Vielleicht geht es auch nur mir so. Möglicherweise bin ich schon berufsbedingt an Hierarchien und ihre Ordnung in Abteilungen gewöhnt. Sodass ich der dem Himmel nächst gelegenen Instanz Entscheidungsfindungsprozesse anvertraue. Kopflastig klingt das, wie wahr. Und irgendwie ein klein wenig beschränkt, wenn ich mir das so recht überlege. Welch wunderbare Bilder vom Menschen und von Gott doch die biblischen Texte zeichnen. So kennt die alttestamentliche Anthropologie die Einteilung in Körper, Geist und Seele nicht. Der Mensch wird als ein ganzheitliches, fühlendes, denkendes, begehrendes ... Wesen vorgestellt, dessen Ganzheit, ausgehend von verschiedenen Aspekten seines Leibes, beleuchtet werden kann. Bestimmten Körperteilen kommen dabei spezifische Funktionen zu, die sich von unserem heutigen Verständnis zt unterscheiden. So sind der Bauch, die Eingeweide, die Gebärmutter (findet für Männer wie für Frauen Anwendung) der Sitz des Erbarmens, der Gefühle, des Mit-Gefühls. Das Herz denkt, ist zuständig für das Gewissen und die Erinnerung. Die Kehle ist der Sitz des Lebensatems, der begehrend, hoffend, wünschend ist durch spätere Übersetzungen zur Psyche/Seele wird. 

Ja, ich gebe es zu, es passiert mir häufig: Schlecht gegessen, oder nichts gegessen, zu viel des Guten, Verstimmung? Ja, ich gebe es zu, ich neige zur Eindimensionalität.

Wie spannend die Vorstellung ist, einen Resonanzraum in sich beherbergen zu dürfend, der ganz und gar nicht machtlos ist, wenn es darum geht, sich Gehör zu verschaffen. Ja, da ist ein Bauch, der rumort, der poltert, der wohlig in sich ruht, der grummelt und auch gluckert, der Schmetterlinge beherbergt, der zwickt, der sich zusammenzieht, dem ganz mulmig ist. Ich würde wirklich gerne die Sprache dieses Organs sprechen oder besser deuten lernen. Denn irgendwie schwant mir, dass er mehr zu sagen hat, als ich mir vorstellen kann.
Vielleicht beginne ich damit, ihn mir vor-zu-stellen, vor mich hin-zu-stellen und mich vor-zu-stellen um mich zu erkundigen, was es ist, das die dünnen Wände und Umrisse in Schwingung versetzt. Was es ist, das die feinsten Frequenzen und zwischenmenschlichen atmosphärische Strömungen in körperliches Empfinden übersetzt?

Vielleicht geht es darum, sich vor Augen zu führen, was man sich im Grunde vom Leibe halten möchte, um der Gefahr zu entgehen, etwas ganz nah an sich heranzulassen, dass das Innerste in Wallung zu versetzen wüsste?

Ich selbst bin geübter, die Streitgespräche zwischen Kopf und Herz – im herkömmlichen Sinne – auszutragen. Und für gewöhnlich obliegt es den Hirnwindungen vom Veto Recht Gebrauch zu machen. Hat das Herz nicht immer Nachsehen mit den lautesten Stimmen? Die Bauch-Stimm-ung-en kommen nicht selten zu kurz. Sollte ich mich selbst überlisten?
Was wäre, wenn ich mich auf den Kopf stellte? Dann wäre doch der Bauch die höchste Instanz, wenn es einem schon geläufig ist, dergestalt zu denken. Einen Kopfstand zu wagen, würde mir übrigens auch nicht schaden. Zu viel Sesselhüten macht unbeweglich. 

Wenn ich ehrlich bin, dann liegt es eigentlich nah. Nicht separieren, sondern verbinden. Zulassen.

Das Kopfstellen, das Bauchhören und Herzenfühlen. Oh, weh, das eigentlich entlarvt mich mit einem einzigen Wort. Eigentlich. Was will man damit ausdrücken? Dass man es will, und man doch genügend Argumente anzuführen hat, warum man es nicht wollen sollte oder nicht wollen dürfte? Oder unter Umständen es wollen würde und könnte, stimmten nur die Rahmenbedingungen, oder so. Ich merke, Gewohnheiten zu bedenken ist ein erster, wenn auch ein wichtiger, aber nicht der letzte Schritt. 
Vielleicht könnte man ab und an – man muss sich das als Ungeübte ja temporär verordnen – mit jenen Instanzen Synergien und Kooperationen bilden, die sich räumlich gesehen, am nächsten stehen. 
Würde das nicht auch heißen, Herz und Bauch auf einen Spaziergang schicken zu dürfen? Um sich zu beschnuppern, um sich abzutasten und kennen zu lernen. Einfach schauen, fühlen, horchen, was passiert und dabei Impulse nicht sofort zergliedern in für und wider, sondern dem ersten Pochen und Kribbeln folgen? 
Was wäre denn so falsch daran, dem Drang nachzugeben, in einen kalten Bergsee zu springen, auch wenn dies so gar nicht zweckgebunden, sinnvoll, klug, nützlich erschiene? Nur im Entferntesten etwas mit: würde wollen, wenn, sollte, könnte zu tun hätte?

Ich sage: Spring!

Und nicht mal eine Kamera dabei, um das Ereignis einzufangen. Als Beweis, es wahrhaftig, so ganz und gar und tatsächlich gewagt und getan zu haben, wozu einem die neue Koalition geraten hat?
Dabei bin ich mir sicher, unsere Herzens- Kopf- und Bauchspeicher-Speicherplätze sind unerschöpflich. Sie beteiligen sich gerne demokratisch an einem gemeinsamen Projekt. Ich denke mir, warum nicht so viele Instanzen wie möglich in ein gutes Gespräch miteinander bringen – herrschaftsfrei am allerliebten – um zu sehen, welch Realität ein möglicher Konsens ans Licht treten lassen kann. Was hat man schon zu verlieren? Für mich kommt dieses Bild einem Auftrag gleich:
Das „Cogito, ergo sum“ und das „Senseo, ergo sum“ ineinander verwoben und gleichwürdig zu begreifen. Das bedarf der Übung. Das geht nicht von jetzt auf gleich. Aber damit beginnen, das geht heute allemal. Dass es möglich ist, ist wahrlich ein Geschenk. 


Ein Laden, in dem Freundschaft spürbar wird

Ein Laden, in dem Freundschaft spürbar wird

Nimm mich an und für sich