DIE BETRACHTERIN - Texte der dritten Runde. FENSTER WERNSTEIN
Das Fenster zeigt die Geschichte des imposanten Mariendenkmals in Wernstein am Inn. Im Fokus ist Fanny Starhemberg (1875–1943), dargestellt als Hofdame mit fünf weiteren adeligen Spenderinnen des Fensters. Fanny Starhemberg, geborene Gräfin Larisch von Moennich, war eine österreichische Politikerin (Christlichsoziale) und Mitbegründerin der Katholischen Frauenorganisation OÖ.
Fanny von Starhemberg: Frauenbewegung in Kirche und Politik
Fanny von Starhemberg verkörpert die Ambivalenzen, mit denen frauenbewegte Katholikinnen im Spannungsfeld von Katholischer Kirche und Partei/Politik konfrontiert waren. Frauen seien für die Politik nicht geeignet, hieß es, und doch engagierten sie sich gesellschaftspolitisch bereits in der Monarchie. Mit Starhemberg an der Spitze verstanden sie sich als „Bollwerk“ gegen die Sozialdemokratie und den Hedonismus und Egoismus von Liberalismus und Burschenschaften. Das Elend des Ersten Weltkriegs durchbrach ideologische Grenzen und sie, als Vorsitzende der Katholischen Frauen Oberösterreichs, lud im Mai 1917 zum „Ersten oberösterreichischen Frauentag“. Starhemberg war ein politischer Faktor im Land und in ganz Österreich, denn die Frauenstimmen lieferten der Christlichsozialen Partei ihre Wahlsiege. Allerdings dankte diese es ihr nicht: Starhemberg wurde nicht Nationalratsabgeordnete und kam nicht in den Landtag, nur in den Bundesrat wurde sie delegiert, musste aber gegen ihren Willen 1931 ausscheiden – was sie bedauerte, aber zu keinem öffentlichen Protest führte. Das Ende der demokratischen Republik wurde von den Katholikinnen im Mai 1933 begrüßt: „Endlich vom Parlament erlöst“ – ihr Handlungsspielraum allerdings verengte sich gravierend. Remaskulinisierung und Frauendiskriminierung prägten den Austrofaschismus und Starhemberg leitete systemaffirmativ das Frauenreferat der Vaterländischen Front. Das brachte ihr einen Tag Haft nach der Machtübernahme des Nationalsozialismus ein. Ihre letzten Jahre lebte sie auf den Familiengütern in Schlesien.
Gabriella Hauch, Professorin für Geschichte der Neuzeit mit Schwerpunkt Frauen- und Geschlechtergeschichte Universität Wien
Starhembergs Erbin – Die Katholische Frauenbewegung
100 Jahre nach Fanny Starhemberg engagiert sich die Katholische Frauenbewegung (kfb) als Erbin der von Starhemberg mitgegründeten Katholischen Frauenorganisation OÖ. Der Charakter und wohl auch Ziele und Arbeitsweisen wandelten sich, die Notwendigkeit einer parteiisch für Frauenanliegen weltgestaltenden Organisation besteht leider nach wie vor. Verschwunden ist die enge Vernetzung von parteipolitischem und kirchlichem Engagement. Der Sozialstaat etablierte sich, staatliche Gleichberechtigung ist durchgesetzt. Der christliche Auftrag zur Weltgestaltung stellt sich heute weit umfassender dar als es eine einzelne politische Partei (und sei sie auch christlich-sozial) mit ihrem ideologischen Programm bewerkstelligen könnte. Alle Parteien bleiben hinter dem Evangelium mit seiner Reichgottes-Botschaft und dem darin formulierten Anspruch auf ein gutes Leben für alle zurück. Die katholische Kirche setzt neue, ganzheitliche Betrachtungsweisen hinsichtlich der multiplen Krisen, in denen sich die Welt befindet. Insbesondere die Bewahrung der Schöpfung rückt in den Fokus vieler Bemühungen. Die Aktion Familienfasttag der katholischen Frauenbewegung unterstützt Frauen-Projekte im globalen Süden, die im Bewusstsein globaler Zusammenhänge einen nachhaltigen Wandel im sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und politischen Bereich betreiben. Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter stehen im Mittelpunkt des vielfältigen Engagements der kfb. Dazu braucht es die Arbeit gegen Frauendiskriminierung und gegen Gewalt an Frauen und einen kritischen Blick in die katholische Kirche hinein. Dank der Geschlechterforschung des 21. Jahrhunderts können neue Praxen des kirchlichen Lebens entwickelt werden, die dem Reich Gottes ähneln, welches Paulus beschreibt: „Da ist nicht jüdisch noch griechisch, da ist nicht versklavt noch frei, da ist nicht männlich und weiblich: denn alle seid ihr einzig-einig im Messias Jesus.“ (Gal 3,28)
Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs, Wien
Liebe Fanny,
leider hatten wir nicht das Glück, dich persönlich kennenzulernen. Dafür durften wir aber als Teil deiner Familie einige Einblicke in dein Leben gewinnen, die uns Starhemberg-Frauen über Jahrzehnte hinweg inspirieren. Du hast im „Dienste der Menschheit“ gelebt, sowohl dein starker Wille als auch dein uneigennütziges Engagement sind für uns ein großes Vorbild. Die Ehrenbezeichnung „Landesmutter“, die dir die Bevölkerung Oberösterreichs für deine Dienste im sozialen, politischen und karitativen Bereich „verliehen“ hat, ist bezeichnend für deine damalige Rolle. Du hast während der Abschaffung der Monarchie gelebt und dich schon früh stark für die Demokratie engagiert und hast damals gesagt: „Uns macht die Aufhebung des Adels nichts, wir bleiben mit oder ohne Titel die Starhembergs.“ Unser Name ist historisch von Bedeutung, wir nicht. Daher müssen wir uns umso mehr anstrengen und UNSEREN Teil der Nächstenliebe leisten. Du warst eine Frau, die sich nicht auf ihrem Besitz ausgeruht hat, sondern sowohl ihre eigene Moral und Standpunkte vertreten hat als auch die Hausfrauen auf ihren Höfen für ihre unvorstellbare Leistung bewundert hat. Uns würde interessieren, wie du die heutige Zeit erleben würdest. Durch Frauen wie dich können wir uns nun mehr zutrauen und wissen mittlerweile, dass wir auch zu mehr bestimmt sein können. Ich (Kalina) stehe kurz vor der Geburt meiner ersten Tochter und stelle mir derzeit viele Fragen: „Wie wird in Zukunft ihr Leben aussehen und wie wird sich meines verändern?“ Eine Frau muss heutzutage vieles unter einen Hut bringen: geduldige Mutter, stets gepflegt, fit, nicht zuviel essen, auch nicht zu wenig und zusätzlich auch Karriereambitionen haben. „Nur“ Hausfrau und Mutter zu sein wird eher als resignativ angesehen. Umgekehrt wird aber eine Karrierefrau, die ihr Kind dem Beruflichen unterordnet, ebenso verurteilt. Gott sei Dank ist nicht alles so schwarz und weiß, wie es einmal war. Es gibt Partner, die sich die Arbeit teilen, es gibt Väterkarenz und viele Frauen in Führungspositionen, dennoch kämpfen wir weiter unseren Kampf. Wie wäre es also, wenn wir uns unsere Vielfältigkeit eingestehen würden und auch unsere „Weichheit“, unser Einfühlungsvermögen und unsere Sensibilität? Wie wäre es, wenn wir soziale Sensoren als Stärke sähen anstatt sie verstecken zu müssen? Wie hast du es damals geschafft, dass deine Stimme gehört wurde?
Deine Ur-Ur-Enkelinnen Kalina und Lara
Lara Waechter, Kuratorin für zeitgenössische Kunst, Wien & Kalina Piatti, Musikerin und Sprecherin, Kulturmanagerin Schloss Loosdorf