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Barbara und ihre Zweige

Barbara und ihre Zweige

Ich versuche mich dem Brauch des Zweigeschneidens zu nähern. Er ist mir nicht gebräuchlich. Und doch werde ich womöglich meine Mutter bitten, in den Obstgarten zu gehen. Die Vorstellung einer Erwartung auf Erhofftes, auf Vermehrung des Schönes in den eigenen vier Wänden Form zu verleihen, mag ich sehr gerne. Wie wäre es, wenn es eine Erinnerung darstellte, beinahe eine Ermahnung, dass das eigene Anders-Können ein wesentliches Moment von Freiheit ist. Eine kluge Frau steht im Zentrum dieser Erzählung. Barbara. Eine Frau, die aus tiefster Überzeugung wusste, was sie wollte und die Tragweite dieser Entscheidung mit allen Konsequenzen am eigenen Leibe zu spüren bekam. Eine Jungfrau. Es lohnt sich über den Begriff nachzudenken, über die theologische Aussagekraft – der es nie um eine biologische Fragestellung ging – im Gegensatz zu kirchlich moralisch aufgeladenen Geschlechterkonstruktionen, sondern um die Sehnsucht, ein Leben jenseits gekannter Modelle - unabhängig - leben zu wollen. Ich nähere mich dieser tiefen Sehnsucht nach einem: „Da muss es noch mehr geben“ an, die ein Wissen atmet: „So will ich es wagen, egal, was und wie es kommt.“

Ein Zweig, der in sich bereits das Leben trägt, inmitten und auf Grund des Frosts: Es wird wieder Frühling werden, wenn auch jetzt die Zeichen auf Winterschlaf und lauter Stille stehen.

Für Wachstum braucht es die Grenze, dass etwas abgeschnitten werden muss. Vielleicht kann nur so wirklich Neues entstehen. Vielleicht geht es um diese eigene Ent-Scheidung. Um diese eine Erlaubnis. Sich dem eigenen Suchen zu stellen: Was willst du wirklich? Für dich und für die anderen? Wo zieht dich deine Sehnsucht hin? Wovon musst du dich (schmerzlich) verabschieden? Traust du dich? Was bist du bereit zu geben? Vielleicht weißt du schon lange um diese Spur...

(Alltags-)Rituale können dabei behilflich sein, einem ein klein wenig an der Hand nehmen, und Hoffnungslücken überbrücken helfen, weil sie uns abholen, genau mitten drin. Vergangenes ist vorbei und Zukünftiges steht noch aus. Was ist, ist diese Schwelle. Sensibel. Fein-Fühlig. Offen. Ein nackter Zweig. Vielleicht das schönste aller Symbole für diese Passage. Es wird Neues/Anderes/Gewohntes/Unmöglich Farbiges entstehen. Da bin ich ganz gewiss. Nicht alles liegt dabei in unserer Hand. Nicht alles ist unter unserer Kontrolle. Trotz alledem fühle ich einen Grund, der mich trägt. Aber die eine Entscheidung nimmt mir niemand ab. Zu tun oder zu lassen. Zu Entscheiden. Aus freien Stücken. Es wollen. Es wagen. Loslassen. Auch wenn es weh tut. Gehen. Was für Privileg.
Auf dass wir die Verlängerung dieser blühenden Zweige werden. Dort wo es dunkel bleibt trotz Winterwenden.


Gewollt

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"Auf der Einpackstation befindet sich ein unerwarteter Artikel."

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