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Wider die Gemütlichkeit. Echt jetzt?

Wider die Gemütlichkeit. Echt jetzt?

„S’ Glück is a Vogerl“, sagt das Kind und lächelt mich an. Ohne zu wissen, wo er das wohl aufgeschnappt hat, kann ich herrlich staunen in diesem Moment. Es kommt seltener vor in letzter Zeit, dass ich staune. Sei es, weil ich die Wohnung mehrfach abgegangen bin - 33 Schritte von einem Fenster zum anderen - und die Richtungen all meiner Schritte kenne, sei es, weil es immer noch seltsam still ist auf den Straßen. Sie erscheinen mir wie Durchzugsräume, Orte, wo alle in Bewegung sind, wo niemand bleiben will, wo man gerade ist, ohne genau zu wissen, wo man hinwill. Winterschläfrig erscheinen mir viele Räume. Schwere, dunkle Vorhänge vor gläsernen Wänden, daneben ausgeleuchtete Vitrinen mit Dingen, die niemand holt, dazwischen leerstehender Raum. Manchmal erscheint mir die Stadt wie eine Wunderkammer, die darauf wartet neu bestückt zu werden. Was würde ich wohl ausstellen wollen? Im Moment ... beim besten Willen, ich weiß es nicht. Mein Erfahrungsrepertoire scheint ein wenig aufgebraucht zu sein oder verbirgt sich Vieles hinterm Vorhang? Vielleicht würde ich es schneien lassen wollen von innen, so dass alle stehen bleiben und staunen. Man sich fragt, was ist jetzt drinnen und draußen und wo steh eigentlich ich? Man in diesem Moment selbst ohne Berührung spürt, dass sich etwas regt. Ohne sich selbst zu bewegen, Bewegung erfahren? Ich ertappe mich selbst dabei, etwas zu ersehnen, zu erwarten ohne etwas hinzuzutun. In der stillen Warteschleife auf das Widerfahrnis wartend. Mit dem Wunder ist es so eine Sache. Es platzt herein, unerwartet, überraschend, zutiefst erwünscht, ohne exakt gewusst zu haben, was man erwartete, um zu erkennen: Genau das war es jetzt! Als hätte mich mitten unter Tags eine Sternschnuppe gestreift. Unmöglich? Möglich! Eine fühlbare Spur, die für den Moment etwas freilegt, vielleicht ein Einfallstor eröffnet. Zu mir selbst, ein Sich-Erkennen im Anderen ermöglicht. In etwas Anderem. Ein Angefragt-werden von einem Gegenüber mit Augen so klar, die tief schauen, viel tiefer und klarer, als man selbst es könnte, oder man es sich zu wagen getraute. Tastende Augen, die Oberflächen streifen und anrührend für ein Rumoren sorgen, das man nicht fürchten sollte, weil sich etwas zeigen könnte, und es sich doch im nächsten Moment entzieht.

Manchmal hält man das Gesicht dem Himmel entgegen, in Erwartung auf Schneeflocken auf der Nase, stattdessen erhält man einen Pferdekopf vor den eigenen Augen. Das Draußen hält doch tatsächlich noch Überraschungen für einen bereit. Ich muss nur schauen ... Das Rahmenbedingungen-abstecken, damit sich etwas ereignen kann, liegt doch auch in meinen Händen. Da muss ich mich stets an der eigenen Nase nehmen. Meine eigenen Komfortzonen überdenken und verlassen. Hinaustreten vor die Tür. Herzerwärmend Luftholen. Mich der Frage stellen: Wer verursacht diese Überraschungs-Resistenz?
Sich/etwas, je aufs Neue verändern zu wollen und es zu können, wenn auch im ganz Kleinen, ist doch alles andere als eine Kleinigkeit. Es erfordert Mut. Es erfordert Nachfolge. Weitsicht und Dankbarkeit für Kurzsichtigkeit - das Vogerl liegt doch wirklich oft vor meiner Nase. Das Zugeständnis, dem Sehnen wieder auf die Spur kommen zu wollen, besonders in Momenten, wo Vieles verloren erscheint. Ein sich selber fragend zu Leibe rücken: Was will ich wirklich? Nein, das ist nicht klein. Das ist nicht Nichts. Das erfordert wirklich Größe, sich zu stellen dem Verwundeten, das heil werden will und dem, was daraus erwachsen könnte, so man sich traut, es frei zu geben. Sich zu zeigen - im Suchen und Finden hörender Augen.
So herrlich der Schnee auch zu bedecken weiß, so wenig lässt er das Brüchige verschwinden. Vielleicht offenbart ja gerade das Ramponierte eine unzeitgemäße Schönheit, die es erst zu heben gilt. Vielleicht zählt einmal mehr der Augen-Blick. Vielleicht erfordert dies tatsächlich ganz viel Übung. Stehen bleiben, wenn alles geht. Laufen, wenn alles steht. Schneeengel machen, wenn alles fliegt. Oder wie die wunderbare Hilde Domin so zärtlich schreibt:

„Nicht müde werden
Sondern dem Wunder
Leise
Wie einem Vogel
Die Hand hinhalten“

(Hilde Domin)

 


Nest

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vier mal frau

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