Categories


Authors

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. Linz-Fenster

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. Linz-Fenster

Care-Arbeit und Vermögensbildung: Frauen als Wirtschaftsakteurinnen

Die Hausmeisterin Julia Peterbauer blickt prüfend, als sie ihr Sparkassenbuch ausgehändigt bekommt. Sie ist, wie viele Frauen dieser Zeit, im Bereich der Sorgearbeit tätig, aber nicht privat und unentgeltlich, sondern sie erhält für ihre Arbeit Kost und Logis und wohl auch einen geringen Lohn. Der Darstellung zufolge ist es ihr sogar möglich, etwas zu sparen.  

Eines der Motive der katholischen Soziallehre war die Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten. Das Stichwort „Eigentumsbildung in Arbeiterhand!“ war eine Antwort auf die Soziale Frage des 19. Jh.: Die Möglichkeit zu sparen und sich etwas Sicherheit und einen kleinen Wohlstand zu schaffen, war mit der Hoffnung auf sozialen Frieden verbunden, ohne das entstehende kapitalistische System selbst in Frage zu stellen: „Wenn nun diesen niederen Klassen Antrieb gegeben wird, bei Fleiß und Anstrengung zu einem kleinen Grundbesitze zu gelangen, so müsste allmählich eine Annäherung der Lage beider Stände stattfinden; es würden die Gegensätze von äußerster Armut und aufgehäuftem Reichtum mehr und mehr verschwinden“, so Leo XIII. in Rerum Novarum (1891).

Bezugspunkt dieses katholischen Konzepts war der männliche Alleinverdiener, der von seinem „Familienlohn“ sparen und Vermögen bilden soll. Dazu steht das Profil von Julia Peterbauer in einem gewissen Kontrast: Sie ist keine Arbeiter:in und keine männliche Person, zudem wird sie „Fräulein genannt, ist also alleinstehend. Somit trägt diese künstlerische Gestaltung im Linzer Fenster mit ihrem Rückgriff auf eine bestimmte Geschlechterkonstruktion zur Wahrnehmung der Pluralität von Lebensformen im privaten wie im öffentlichen Leben bei. Die Frau wird an der Schwelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gezeigt. Sie ist Anfang des 20. Jh. einerseits Wirtschaftsakteurin mit ökonomischer Verantwortung, andererseits im „typisch weiblich“ konstruierten Bereich der Fürsorge und des Haushalts tätig. Inwieweit sich diese Spannung Anfang des 21. Jh. aufgelöst hat oder weiterhin besteht, bleibt der Interpretation der Betrachter:in überlassen.

Katja Winkler, Assistenz-Professorin am Institut für Christliche Sozialwissenschaften, Katholische Privat-Universität Linz


Finanzielle Gesundheit – Sorge vor und sprich darüber

So wie wir auf unsere körperliche Gesundheit achten müssen, ist unsere finanzielle Gesundheit ebenso entscheidend. Gerade Frauen werden schon früh mit weitreichenden Entscheidungen konfrontiert: Vollzeit-Job oder Pensionslücke? Karriere ohne Kinder oder weniger Geld in der Pension?

Wie man sich auch entscheidet, eines steht fest: Frauen leisten einen Großteil der unbezahlten Arbeit und übernehmen die Kindererziehung, den Haushalt oder die Pflege. So unschätzbar wertvoll diese Tätigkeiten für unsere Gesellschaft sind, so unzureichend werden sie finanziell abgegolten. Für ihren Einsatz müssen Frauen erst beim Gehalt und später bei der Pension Einbußen hinnehmen. Altersarmut ist somit größtenteils „weiblich“. Um die eigene finanzielle Unabhängigkeit zu wahren und mit Blick auf das Alter abzusichern, schaffen die meisten Frauen täglich den Spagat zwischen Familienleben und Karriere.

Mut, Ausdauer, Eigeninitiative und die Fokussierung auf die eigenen Stärken sollten die schlagenden Attribute sein, um seine beruflichen Ziele zu erreichen. Das zeigen meine eigenen Erfahrungen, die durchwegs positiv waren. Sowohl meine Erziehung, aber auch zahllose Momente aus meinem Berufsleben haben mir verdeutlicht, dass Begabung weder weiblich noch männlich ist. Ich weiß, dass dies nicht der Lebensrealität aller Frauen entspricht – angefangen bei fehlenden Kinderbetreuungsplätzen bis hin zur Gehaltsschere, sehen sie sich selbst in der heutigen Zeit mit vielen Hindernissen konfrontiert.

Mir ist wichtig, dass Frauen einander stärken, informieren und unterstützen. Wer Verantwortung übernimmt – sowohl im Job als auch in Sachen Geld – übt damit eine Vorbildwirkung aus. Wenn wir offen und selbstbewusst miteinander sprechen, können wir diese wichtigen Themen in den Fokus der Öffentlichkeit rücken – und einen Beitrag zur finanziellen und beruflichen Gleichberechtigung leisten.

Stefanie Christina Huber, Vorstandsvorsitzende der Sparkasse OÖ


Windmühlenkämpfe

Bevor ich mein Emailpostfach öffne, muss ich durchatmen. Bald sollten Zusagen für die diesjährigen Stipendien kommen. Wenn ich Glück habe. Kunstförderung ist eine Lotterie, komplett willkürlich. Ohne Stipendien als Autorin am Beginn der Karriere existieren können: quasi unmöglich. Ich schreibe seit über einem Jahr an meinem Roman. Den Abschluss eines Verlagsvertrags zögere ich raus, ich will, dass wir optimal zusammenpassen, der Verlag und ich. Das bedeutet, der Großteil meiner Schreibarbeit erfolgt unentlohnt. Ich lebe von Auftragstexten, Lesungen und Workshops. Wie viel ich im August verdienen werde? Keine Ahnung. Vielleicht schlafe ich deswegen so schlecht. Diese prekären Bedingungen sind den Leser:innen oft unbekannt. Wir schreiben in unsere Klappentexte, dass wir Akademiker:innen sind, aber nicht, dass wir wie geringfügig Beschäftigte verdienen. Bekomme ich einen Literaturpreis oder ein Stipendium, kann ich ein bisschen sparen. Für schlechte Zeiten, den Sommer beispielsweise: da ist der ganze Kulturbetrieb wie ausgestorben, mit noch schlechteren Einkommensmöglichkeiten. Wenn ich statt einer Förderzusage eine Rechnung im Briefkasten finde, spüre ich mein Herz klopfen, zieht es hinter dem Kehlkopf. Aber: „Du hast es dir doch ausgesucht, niemand zwingt dich, Künstlerin zu sein“, sagt der Neoliberalismus, außerdem: „Wenn du dich genug bemühst, schaffst du es trotzdem, verdienst du richtig gut!“ Gut schreiben ändert nichts an dem schwierigen Rahmen. „Schreiben ist doch ein Traumjob, so frei!“, sagen die, die nicht wissen, wie eng diese Freiheit mit Unsicherheit verbunden ist, mit Zukunftsangst. Sagen die, die Alpträume über Altersarmut nicht kennen. Vom Schreiben leben können ist ein ewiges Glücksspiel, ein Windmühlenkampf. Gegen die Strukturen. Aber auch: gegen die eigenen Ängste. Gegen die Scham darüber, dass man sich selbst entschieden hat, für dieses Kunstschaffen jenseits der Armutsgrenze. Man muss diese ambivalenten Gedanken im Hirn ganz nach hinten schieben können, um weiterzuschreiben. Dann, nur dann, kann es schön sein, und frei.

Lisa-Viktoria Niederberger, Autorin, Linz


 

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. Mosaik-Salome

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. Mosaik-Salome

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. AVE MARIA Fenster

DIE BETRACHTERIN - Texte der zweiten Runde. AVE MARIA Fenster