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DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Attersee-Maria-Puchheim Fenster

DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Attersee-Maria-Puchheim Fenster

Am Attersee und im Heiligen Land – Vorbildliche Frauen auf Wallfahrten und Pilgerreisen

Das Attersee-Maria Puchheim-Fenster zeigt Dora Gräfin Kottulinsky, eine Angehörige des niederen Landadels, an prominenter Stelle neben Bischof Rudigier als einzige Teilnehmerin an einer, traditionell von Redemptoristen-Patres aus Maria Puchheim durchgeführten, Boots-Wallfahrt am Attersee. Es belegt, dass auch Frauen die Teilnahme an derartigen religiösen Veranstaltungen möglich war, wenn sie sich auf Grund ihrer caritativen Gesinnung und Spendenfreudigkeit Verdienste erworben hatten. Ansonsten war auch weiblichen Angehörigen des Geld- und Bildungsbürgertums öffentliches Auftreten nur im Bereich der Wohltätigkeit und in Kombination mit religiösem Bekenntnis gestattet und die Gründung politischer Vereine weitgehend untersagt. Das um 1900 noch immer gültige Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 sah für Frauen nicht nur eine dem Patriarchat untergeordnete Rolle mit dem Mann als Haupt der Familie vor, sie waren vom Wahlrecht ebenso ausgeschlossen wie von höherer Bildung. Es ist bemerkenswert, dass anlässlich des 2. oberösterreichischen Pilgerzugs ins Heilige Land 1904 erstmals auch Frauen aus der Diözese Linz an einer Volkswallfahrt teilnehmen durften, nachdem bereits 1901 in Tirol und kurz danach in der Schweiz ‚gemischte Züge‘ stattgefunden hatten. Dieser Veranstaltung gingen heftige Kontroversen voraus, die u. a. auch in der Dombauzeitschrift ,Ave Maria‘ ausgetragen wurden. Der Initiator der Volkswallfahrten Heinrich von Himmel begründete die Beteiligung von Frauen damit, dass – obwohl „ein ‚gemischter‘ Zug komplizierter ist als ein reiner Männerzug“ - diese „mindestens so fromm sind *und+ so viel aushalten wie die Männer, weil sie im allgemeinen auch diäter leben und weniger trinken“ und dass es „für die religiöse Erziehung und Haltung einer Familie beinahe wichtiger ist, wenn die Mutter als wenn der Vater im Hl. Land war.“ Obwohl die Reisekosten mit mindestens 2 0 kr – das entspricht einer heutigen aufkraft von ca. 2000 nicht unbeträchtlich waren, war es den Veranstaltern ein Anliegen, nicht nur Angehörigen der sozialen und ökonomischen Oberschicht die Teilnahme zu ermöglichen. Die TeilnehmerInnenListe zeigt, dass sich unter den 180 Frauen auch zahlreiche Mägde, Haushälterinnen, Näherinnen und Köchinnen befanden.

Wolfgang Sagmüller, Student der Kunstwissenschaft, Katholische Privat-Universität Linz


Spirituelles Reisen – Völliges Eintauchen

Pilgern ist in den letzten Jahrzehnten zu einem breiteren Trend des „spirituellen Reisens“ geworden. Sinn wird nicht mehr nur im Arbeitstag gefunden, sondern im privaten Leben und der Freizeit gestaltet. Nachdem dieses Pilgern mit Übernachtungen und Verzehr touristische Aspekte gewonnen hat, sind zu Treibern dieser Entwicklung auch Reiseveranstalter und Kommunen geworden, die neue Pilgerwege kreieren oder alte neu ausschildern. Dabei sind es längst nicht mehr nur christliche Pilgerwege, sondern auch „ raftorte“, die aufgesucht werden oder Maria Magdalena- und Marien-Orte, die mit einer Verehrung von Gaia, der Mutter Erde, sich verbinden. Besonders Frauen folgen diesen Routen weiblicher Spiritualität. Selbstfindung. Der Weg ist das Ziel, unterwegs zu sein mit Gleichgesinnten, der sozialtherapeutisch wirksame Austausch, das sind die am häufigsten genannten Ziele in vielen empirischsozialwissenschaftlichen Untersuchungen zum christlichen Pilgern. Selbstverwirklichung und Selbstfindung sind die vorherrschenden Merkmale sowohl des christlichen wie des spirituellen Pilgerns. Einige wenige nennen auch religiöse Motive. Auffallend ist, dass es vor allem Frauen (insg. 44% im Jahre 2010) zwischen 25 und 35 und wieder ab 50 Jahre sind, die sich meist allein für Wochen auf den Weg machen.

Anne Koch, Professorin für Religionswissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg


Tragen (Gebet)

Getragen wird das Schiff vom Wasser des Attersees.
Getragen wird das Bild vom edlen Mann.
Getragen wird das Jesuskind von Maria.

Eine getragene Szene. Alle konzentriert auf ihr eigenes Tun.
Viele Männer tragen verschiedene Rollen.
Eine Frau zwischen all den Männern,
die Stifterin des Fensters,
trägt nichts.

Alle miteinander waren nicht dabei
bei dieser Übertragung.
Aber alle miteinander weisen hin
auf den Marienwallfahrtsort am See.

Am hohen Frauentag wird von einem Mann
dies verletzte Marienbild rückgeführt.
An diesem Festtag wird der Tradition nach
der Besonderheit Mariens gedacht
und da besonders ihrer Aufnahme in den Himmel.
Sie wird hochgehoben und soll uns damit allen
unsere himmlische Zukunft vor Augen führen.

Ehrlich, Maria,
es ist nicht mehr auszuhalten,
wie du auch heute noch hochgehoben wirst
und von Kirchenmännern uns als Vorbild vorgestellt.
Und sie reden von Keuschheit
und Jungfräulichkeit und meinen damit die Frauen.

Ehrlich, Maria,
wir Frauen haben einen eigenen Frauentag
an dem wir aufeinander schauen
und auf die Realitäten und die Rechte von Frauen
und das hat Tradition
und dabei meinen wir uns selber und unsere Besonderheiten.

Ehrlich, Maria,
Frauen tragen viel
versuchen sich gegenseitig zu tragen
in der irdischen Gegenwart
und wollen dich so nicht mehr
vorgeführt bekommen.

Aber wenn ich auf dem Bild dabei gewesen wäre,
Maria,
ich hätte dich, die Verletzte, gern getragen.

Veronika Kitzmüller, Leitende Pfarrseelsorgerin, Domfrau


DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Mosaik unterhalb des Grundsteinlegungsfensters

DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Mosaik unterhalb des Grundsteinlegungsfensters

DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Stift St. Florian Fenster

DIE BETRACHTERIN - Texte der ersten Runde. Stift St. Florian Fenster